ETH Hönggerberg, Werner, fotografiert am Montag (13.11.2017) Bild: Christoph Kaminski, kellenbergerkaminski

Overview and evolution of the situation, 11 May 2021

Original text in German

Allgemeine Situation

In der Schweiz zirkulieren verschiedene Stämme von SARS-CoV-2 unter welchen B.1.1.7 dominiert. Die allgemeinen epidemiologischen Parameter – Fallzahlen, Hospitalisationen, Intensivstation-Belegung, Todesfälle – geben eine Gesamtsicht, ohne zwischen einzelnen Stämmen zu unterscheiden. Insgesamt deuten all diese Indikatoren auf eine rückläufige Epidemie hin.

Eine genaue Quantifizierung ist momentan schwierig durch das veränderte Testverhalten und die fortschreitenden Impfungen. Daten aus der Abwasserüberwachung sind ein vom Testverhalten unabhängiger wichtiger Indikator. Abwasseranalysen von sechs Standorten[1] bestätigen die basierend auf Fallzahlen beobachteten epidemiologischen Trends, d.h. einen stabilen und neuerdings fallenden Trend im April, nach einem Anstieg im Februar und März.

 

Dynamik

 

Basierend auf den aktuellen Daten schätzen wir eine Abnahme der SARS-CoV-2 Epidemie. Der 7-Tageschnitt der schweizweiten Reproduktionszahl ist bei 0.89 (0.78 – 1.01); dies reflektiert das Infektionsgeschehen vom 24.04.-30.04.2021[2].

Tagesbasierte Schätzungen der effektiven Reproduktionszahl Re für die Schweiz betragen[3]:

  • 0,9 (95% Unsicherheitsintervall, UI: 0,77-1,03) aufgrund der bestätigten Fälle, per 30.04.2021.
  • 0,73 (95% UI: 0,58-0,89) aufgrund der Hospitalisationen, per 25.04.2021. Zum Vergleich aufgrund der bestätigten Fälle wird Re für den selben Tag auf 0,88 (95% UI: 0,78-0,97) geschätzt.
  • 0,93 (95% UI: 0,58-1,35) aufgrund der Todesfälle, per 18.04.2021. Zum Vergleich aufgrund der Hospitalisationen wird Re für den selben Tag auf 0,87 (95% UI: 0,75-1,01) geschätzt. Aufgrund der bestätigten Fälle wird Re für den selben Tag auf 0,95 (95% UI: 0,85-1,05) geschätzt.

Wegen Meldeverzögerungen und Fluktuationen in den Daten könnten die Schätzwerte nachkorrigiert werden. Wir weisen darauf hin dass die Re Werte das Infektionsgeschehen nur verzögert widerspiegeln, weil eine gewisse Zeit vergeht zwischen der Infektion und dem Testresultat oder dem etwaigen Tod. Für Re Werte, die auf Fallzahlen basieren, beträgt diese Verzögerung mindestens 10 Tage, für Todesfälle bis 23 Tage. Durch fortschreitende Impfungen erwarten wir, dass in den nächsten Wochen die Reproduktionszahl basierend auf Hospitalisierungen und Todesfällen die Transmissionsdynamik unterschätzt.

Parallel bestimmen wir die Verdopplungs- bzw. Halbwertszeiten der bestätigten Fälle, Hospitalisationen und Todesfälle über die letzten 14 Tage[4]. Die bestätigten Fälle änderten sich um -15% (UI: -6% bis -23%) pro Woche, die Hospitalisationen um -29% (UI: -18% bis -38%) und die Todesfälle um -26% (UI: 4% bis -47%). Diese Werte spiegeln das Infektionsgeschehen vor mehreren Wochen wider.

Eine Veränderung der Fallzahlen, Hospitalisierungen und Todesfällen stratifiziert nach Alter kann auf unserem Dashboard verfolgt werden[5]. Der Effekt der Impfkampagne ist in der Altersgruppe über 75 Jahre sichtbar, wo wir einen Rückgang der Fallzahlen, Hospitalisierungen und Todesfälle beobachten. Während die Altersgruppe 75+ in der 2. Welle (November 2020) rund 50% der Hospitalisierungen ausgemacht hat, waren es im April 2021 noch rund 20%-25%. Dagegen sind die Hospitalisierungen bei den unter 65-jährigen von unter 30% in der 2. Welle (November 2020) auf über 60% im April 2021 gestiegen.  Wir beobachten sinkende Hospitalisierungszahlen in allen Altersklassen. Für die Gruppe der 55 bis 64-Jährigen ist diese Reduktion statistisch signifikant.

 

Absolute Zahlen

 

Die kumulierte Anzahl der bestätigten Fälle über die letzten 14 Tage liegt bei 263 pro 100’000 Einwohner. Die Positivität liegt bei 6,7% (Stand 08.05.2021, das ist der letzte Tag für welchen nur noch wenige Nachmeldungen erwartet werden).

Die Anzahl der COVID-19-Patienten auf Intensivstationen lag über die letzten 14 Tage im Bereich von 205-260[6] Personen (die Änderung war -14% (UI: -7% bis -19%) pro Woche).

Die Zahl der täglichen laborbestätigten Todesfälle über die letzten 14 Tage war zwischen 3 und 12[7].

 

Neue Varianten

 

In der Schweiz sind die ursprünglich in Grossbritannien und Südafrika beschriebenen Varianten B.1.1.7 und B.1.351 erstmals in Kalenderwoche 51 des Jahres 2020 identifiziert worden. Die ursprünglich in Brasilien beschriebene P.1 Variante wurde erstmals in Kalenderwoche 6 des Jahres 2021 in der Schweiz identifiziert. B.1.1.7 ist inzwischen die dominante Virusvariante und die Epidemie in der Schweiz ist eine B.1.1.7 Epidemie[8],[9]. B.1.351 und P.1 treten momentan mit weniger als 1% auf[10]. Die ursprünglich in Indien beschriebene B.1.617 Variante wurde erstmals in Kalenderwoche 16 des Jahres 2021 in der Schweiz identifiziert[11]. Bisher wurden weniger als 25 Fälle dieser Variante in der Schweiz nachgewiesen. 50% davon sind die Untervariante B.1.617.2, die Public Health England als “variant of concern (VOC)” klassifiziert hat.

B.1.1.7 hat eine erhöhte Übertragungsrate. Dies hat dazu geführt dass B.1.1.7 nun dominiert. Untersuchungen in Grossbritannien wiesen Ende 2020 darauf hin, dass B.1.1.7 eine deutlich höhere Übertragungsrate hat als die bislang bekannten Stämme von SARS-CoV-2[12]. Die genetische Charakterisierung von Zufallsstichproben aus positiv getesteten Menschen von Testlabors der Schweiz, sowie die systematische genetische Charakterisierung von Proben im Referenzlabor in Genf, erlaubt diese erhöhte Übertragungsrate auch basierend auf schweizer Daten zu bestätigen[13],[14] (43-52% basierend auf [15] und 42-60% basierend auf [16]).

Das Risiko eines schweren Verlaufs aufgrund von Infektion mit B.1.1.7 wird in mehreren Studien beobachtet. Eine Studie[17] aus Grossbritannien deutet darauf hin, dass die Sterblichkeit bei einer Infektion mit B.1.1.7 um 50% erhöht ist über alle Altersklassen hinweg. Diese erhöhte Gefährlichkeit von B.1.1.7 wird gestützt durch weitere Studien aus Grossbritannien[18],[19]. Ergebnisse einer Studie[20] aus Dänemark deuten darauf hin, dass das Risiko einer Hospitalisierung bei Infektion mit B.1.1.7 erhöht ist. Eine neue Studie sieht keine erhöhte Sterblichkeit, untersucht jedoch nur hospitalisierte Personen[21]. In einer weiteren Studie bei der Daten einer «COVID symptom study App» ausgewertet wurden, wurde mit Ausbreitung von B.1.1.7 keine Verschiebung zu schwereren Verläufen beobachtet[22].

In den schweizer Daten sehen wir einen Trend hin zu einem erhöhten Risiko einer Hospitalisierung wenn ein Patient mit B.1.1.7 infiziert ist[23]. Dementsprechend sind mit Ausbreitung von B.1.1.7 die Wahrscheinlichkeiten einer Hospitalisierung bei positivem Testergebnis gestiegen. Eine 55-64 jährige positiv getestete Person hatte beispielsweise zum 31.12.2020 (als B.1.1.7 noch wenig verbreitet war) ein Risiko von 4.3% (28-Tages Mittel) eines Spitaleintritts. Zum 31.3.2021 (als B.1.1.7 dominant war), war das Risiko bei 7.2%[24]. Die anderen Altersgruppen über 35 entwickelten sich ähnlich (in den jüngeren Altersklassen sind die absoluten Zahlen zu klein für belastbare Aussagen). Die Todesfall-Zahlen aufgrund von B.1.1.7 für die Schweiz sind zu klein als dass wir für die Schweiz eine Aussage treffen könnten.

Es wird erwartet dass die in der Schweiz momentan verwendeten mRNA-Impfstoffe auch gegen die neuen Varianten wirken [25].

Basierend auf den Daten aus der genetischen Charakterisierung können wir die Veränderung der absoluten Fallzahlen, welche von B.1.1.7 verursacht werden, abschätzen. Seit Anfang Januar bis Mitte April ist diese absolute Zahl kontinuierlich gestiegen während die anderen Varianten abgenommen haben[26]. Die Gesamtzahlen haben bis Mitte Februar abgenommen. Seit März ist B.1.1.7 dominant und die Gesamtzahlen sind bis Mitte April gestiegen. Seitdem nehmen die Zahlen wieder ab. Diese Abnahme wird auch in unseren Nachbarstaaten beobachtet.

Hinweise:

 

[1] https://sensors-eawag.ch/sars/overview.html

[2] https://sciencetaskforce.ch/reproduktionszahl/ und https://ibz-shiny.ethz.ch/covid-19-re-international/: Die Schätzungen von Re über die letzten Tage können leichten Schwankungen unterliegen. Diese Schwankungen treten insbesondere in kleinen Regionen, bei sich ändernder Dynamik und bei niederen Fallzahlen auf.

[3] https://sciencetaskforce.ch/reproduktionszahl/ und https://ibz-shiny.ethz.ch/covid-19-re-international/: Die Schätzungen von Re über die letzten Tage können leichten Schwankungen unterliegen. Diese Schwankungen treten insbesondere in kleinen Regionen, bei sich ändernder Dynamik und bei niederen Fallzahlen auf.

[4] https://ibz-shiny.ethz.ch/covidDashboard/trends: Aufgrund von Melderverzögerungen werden die letzten 3 respektive 5 Tage für bestätigte Fälle und Hospitalisationen/Todesfälle nicht berücksichtigt.

[5] https://ibz-shiny.ethz.ch/covidDashboard/, Dashboard Time Series

[6] https://icumonitoring.ch

[7] https://www.covid19.admin.ch

[8] https://cevo-public.github.io/Quantification-of-the-spread-of-a-SARS-CoV-2-variant/

[9] https://ispmbern.github.io/covid-19/variants/

[10] https://cov-spectrum.ethz.ch/

[11] https://cov-spectrum.ethz.ch/

[12] https://sciencetaskforce.ch/wissenschaftliches-update-09-februar-2021/

[13] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.03.05.21252520v2

[14]  https://ispmbern.github.io/covid-19/variants/

[15] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.03.05.21252520v2

[16] https://ispmbern.github.io/covid-19/variants/

[17] https://www.nature.com/articles/s41586-021-03426-1

[18] https://www.bmj.com/content/bmj/372/bmj.n579.full.pdf

[19] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.03.04.21252528v2.full.pdf

[20] https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3792894

[21] https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(21)00170-5/fulltext

[22] https://www.thelancet.com/journals/lanpub/article/PIIS2468-2667(21)00055-4/fulltext

[23] https://cov-spectrum.ethz.ch/

[24] https://ibz-shiny.ethz.ch/covidDashboard/, Dashboard Time Series

[25] https://sciencetaskforce.ch/wissenschaftliches-update-07-april-2021/

[26] https://cevo-public.github.io/Quantification-of-the-spread-of-a-SARS-CoV-2-variant/

As the Swiss National COVID-19 Science Task Force has been disbanded as of 31 March 2022, no further epidemiological assessments, scientific updates or policy briefs will be published in the future. All previous publications, pages and information of the Science Task Force remain available on this website.