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Die Swiss National COVID-19 Science Task Force wurde am 31. März 2022 aufgelöst.

Sie wurde durch das Wissenschaftliche Beratungsgremium COVID-19 ersetzt, sodass die Kantone und der Bund weiterhin von der wissenschaftlichen Expertise im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie profitieren können.

Diese Website wird daher nicht mehr aktualisiert, ihr Inhalt ist jedoch als Archiv weiterhin zugänglich.

News-Symbolbild_Lagebericht

Wissenschaftliches Update, 9. März 2021

Zusammenfassung

Seit Anfang November 2020 ist die 14-Tages Inzidenz pro 100’000 Einwohner vom höchsten Wert bei etwa 1250, bis im Januar auf 250 und jetzt aktuell auf etwa 170 gesunken. Das heisst, die Fallzahlen haben sich in der Schweiz vom Höchststand bis jetzt knapp drei mal halbiert.

Im Januar zeigte die SARS-CoV-2-Epidemie einen leicht rückläufigen Verlauf, der dann gestoppt wurde. Seit Mitte Februar deuten die Daten auf einen leicht steigenden Trend hin. In dieser Zeit haben die Infektionen mit der ansteckenderen Variante B.1.1.7  kontinuierlich zugenommen. Eine Reihe von  Faktoren beeinflussen den weiteren Verlauf der Epidemie in der Schweiz.

 

Folgende Faktoren können zu einer Zunahme führen:

  • Die zunehmende Häufigkeit der ansteckenderen Variante B.1.1.7.
  • Lockerungen der Massnahmen, mehr Kontakte und Mobilität.

Dem gegenüber stehen Faktoren, die zu einer Abnahme beitragen:

  • Unterbrechen von Infektionsketten von asymptomatischen Fällen dank repetitiven Massentests und möglicherweise auch
  • Wärmere Temperaturen.
  • Zunehmende Immunisierung der Bevölkerung durch Erkrankung und vor allem Impfung.

 

Mit zunehmender Häufigkeit von B.1.1.7 sind erwartungsgemäss grössere Anstrengungen notwendig, um die Anzahl der Infektionen weiter zu reduzieren und ein Anwachsen der Fallzahlen zu verhindern. Die Mehrheit der Bevölkerung hat noch keine Immunität gegen SARS-CoV-2.  Es besteht also im Moment das Risiko eines erneuten Anstiegs der Infektionen und damit auch eines Anstiegs von Erkrankungen und Todesfällen. In zwei unserer Nachbarländer steigen die Infektionszahlen an mit Verdopplungszeiten von ungefähr 18 Tagen (in Italien) und 34 Tagen (in Österreich).

Die schnellstmögliche Impfung aller Menschen in der Schweiz, die das wünschen, trägt nicht nur mittel- und langfristig dazu bei die Fallzahlen zu reduzieren, sondern ist der wichtigste Faktor, um die SARS-CoV-2 Epidemie zu überwinden und damit die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Belastungen dauerhaft zu reduzieren. Die erwarteten Lieferung von grösseren Mengen an Impfstoff in die Schweiz werden eine starke Erhöhung der Impfrate erlauben. Eine konkrete Zielvorgabe für die tägliche Spitzenimpfquote hilft, die dazu notwendigen Vorbereitungen zu treffen.

Parallel dazu ist breites und häufiges Testen eine effektive und kostengünstige Methode, um Infektionen zu verhindern und dazu beizutragen, die Epidemie zu kontrollieren. Wichtig sind auch konkrete Anleitungen zur Infektionskontrolle an die Bevölkerung – gezielte Kampagnen, wie Menschen sich und andere schützen können.

1. Epidemiologische Situation in der Schweiz

In der Schweiz zirkulieren verschiedene Stämme von SARS-CoV-2. Die allgemeinen epidemiologischen Parameter – Fallzahlen, Hospitalisationen und Todesfälle – geben eine Gesamtsicht, ohne zwischen einzelnen Stämmen zu unterscheiden.

1.1. Dynamik


Seit Mitte Februar deuten die Daten auf einen leicht steigenden Trend der SARS-CoV-2 Epidemie hin. Der 7-Tagesschnitt der schweizweiten Reproduktionszahl ist bei 1.08 (95%-Unsicherheitsintervall 0.94 – 1.23); dies reflektiert das Infektionsgeschehen vom 20.-26.02.2021. Diese Dynamik kann in allen Grossregionen der Schweiz beobachtet werden. In den neuesten Schätzungen der Reproduktionszahl – welche das Infektionsgeschehen vom 26.2. widerspiegeln – schliesst das Unsicherheitsinterval für alle Grossregionen die 1 ein und der Punktschätzer von Re liegt in allen Regionen über 1. Dies bedeutet, dass der leicht rückläufige Trend von Anfang Februar – damals lag die Schätzung von Re für die meisten Grossregionen und die Schweiz signifikant unter 1 – nicht mehr anhält. Tagesbasierte Schätzungen der effektiven Reproduktionszahl Re für die Schweiz betragen1:
  • 1,09 (95% Unsicherheitsintervall, UI: 0,94-1,24) aufgrund der bestätigten Fälle, per 26.02.2021.
  • 0,96 (95% UI: 0,78-1,15) aufgrund der Hospitalisationen, per 21.02.2021. Zum Vergleich aufgrund der bestätigten Fälle wird Re für denselben Tag auf 1,06 (95% UI: 0,93-1,2) geschätzt.
  • 0,8 (95% UI: 0,45-1,26) aufgrund der Todesfälle, per 14.02.2021. Zum Vergleich aufgrund der Hospitalisationen wird Re für denselben Tag auf 0,95 (95% UI: 0,78-1,14) geschätzt. Aufgrund der bestätigten Fälle wird Re für denselben Tag auf 1 (95% UI: 0,88-1,11) geschätzt.
Wegen Meldeverzögerungen und Fluktuationen in den Daten könnten die Schätzwerte nachkorrigiert werden. Wir weisen darauf hin, dass die Re Werte das Infektionsgeschehen vor mind. 10 Tagen (für Fallzahlen) bis 23 Tage (für Todesfälle) widerspiegelt, aufgrund der Verzögerung von Infektion und Eintreten eines Ereignisses. Durch fortschreitende Impfungen der Risikogruppen erwarten wir, dass in den nächsten Wochen die Reproduktionszahl basierend auf Hospitalisierungen und Todesfällen die Transmissionsdynamik nicht mehr zuverlässig wiedergeben wird. Eine zukünftige Veränderung dieser Fallzahlen stratifiziert nach Alter kann auf unserem neuen Dashboard verfolgt werden (2, Dashboard Time Series). Parallel bestimmen wir die  Verdopplungs- bzw. Halbwertszeiten der bestätigten Fälle, Hospitalisationen und Todesfälle über die letzten 14 Tage3 . Die bestätigten Fälle änderten sich um -1% (UI: 11% bis -11%) pro Woche, die Hospitalisationen um -13% (UI: 1% bis -25%) und die Todesfälle um -22% (UI: 8% bis -44%). Diese Werte spiegeln das Infektionsgeschehen vor mehreren Wochen wider.

1.2. Absolute Zahlen


Die kumulierte Anzahl der bestätigten Fälle über die letzten 14 Tage liegt bei 171 pro 100’000 Einwohner. Die Positivität liegt bei 4,2% (Stand 05.03.2021, das ist der letzte Tag, für welchen nur noch wenige Nachmeldungen erwartet werden). Die Anzahl der COVID-19-Patienten auf Intensivstationen lag über die letzten 14 Tage im Bereich von 172-194 4 Personen (die Änderung war -4% (UI: 3% bis -10%) pro Woche). Die Zahl der täglichen laborbestätigten Todesfälle über die letzten 14 Tage war zwischen 3 und 13 5[5]. Seit dem 1. Oktober 2020 weist das Bundesamt für Gesundheit 7’522 laborbestätigte Todesfälle aus6. Die Kantone meldeten in dieser Zeit 8’116 Todesfälle 7. Die Sterblichkeitsstatistik vom Bundesamt für Statistik zeigt zwischen Kalenderwoche 43 im Jahr 2020 und Kalenderwoche 3 im Jahr 2021 eine Übersterblichkeit in der Altersgruppe 65 Jahre und älter 8. Insgesamt sind rund 8’400 zusätzliche Todesfälle in diesem Zeitraum im Vergleich zu Vorjahren verzeichnet. Seitdem wurde keine Übersterblichkeit mehr beobachtet.

1.3. Neue Varianten


In der Schweiz sind die ursprünglich in Grossbritannien und Südafrika beschriebenen Varianten B.1.1.7 und B.1.351 erstmals in Kalenderwoche 51 des Jahres 2020 identifiziert worden. Die ursprünglich in Brasilien beschriebene P.1 Variante wurde erstmals in Kalenderwoche 6 des Jahres 2021 in der Schweiz identifiziert. Untersuchungen in Grossbritannien wiesen Ende 2020 darauf hin, dass B.1.1.7 eine deutlich höhere Übertragungsrate hat als die bislang bekannten Stämme von SARS-CoV-2 9. Die genetische Charakterisierung von Zufallsstichproben aus positiv getesteten Menschen von Testlabors der Schweiz, sowie die systematische genetische Charakterisierung von Proben im Referenzlabor in Genf, erlaubt diese erhöhte Übertragungsrate auch basierend auf schweizer Daten zu bestätigen10. Weiter nahm der Anteil von B.1.1.7 an allen Infektionen seit dem ersten Nachweis kontinuierlich zu. Wir erwarten, dass ca. 9 von 10 Infektionen, welche heute erfolgen, durch B117 verursacht sind (11; auf diesen Websites wird die Dynamik der bestätigten Fälle abgebildet; neue Infektionen vom 9.3. werden Mitte März bestätigt zu welchem Zeitpunkt die Kurven bei ca. 90% liegen). Die Genfersee-Region ist in der Dynamik ca. 1-2 Wochen gegenüber der Gesamtschweiz voraus. Basierend auf den Daten aus der genetischen Charakterisierung können wir die Veränderung der absoluten Fallzahlen, welche von B.1.1.7 verursacht werden, abschätzen. Seit Anfang Januar ist diese absolute Zahl kontinuierlich gestiegen (Abbildung 1, blaue Linie) während die Gesamtzahlen bis Mitte Februar gesunken sind (Abbildung 1, grüne
Abbildung 1: (Aufbauend auf der Abbildung 1 im Wissenschaftlichen Update vom 26.2.2021, 12) Änderung der absoluten Anzahl einer Variante mit erhöhter Transmission – Vergleich eines einfachen Szenarios mit Daten von B.1.1.7 aus der Schweiz. Die dunklen Flächen zeigen die Fallzahlen von B.1.1.7 (blau, mit gelber Linie nach oben abgegrenzt) und allen übrigen Stämmen (grün). Die hellen Flächen zeigen die Zahlen aus einem einfachen Modell 13. Die grünen Flächen schliessen dabei an die blauen Flächen an. Die dunkle rote Linie zeigt die Gesamtfallzahlen basierend auf den Daten des BAG. Dies ist die Summe der Fallzahlen mit den alten und der neuer Variante. Die helle rote
Linie ist die Summe der Fallzahlen mit alten und der neuer Variante aus dem Modell. Das einfache Modell zeigt die Dynamik einer neuen Variante (blau) zusammen mit alten Varianten (grün) in einer Situation, in der der R-Wert für die alte Variante konstant 0.84 beträgt (entsprechend dem in der ersten Januarwoche in der Schweiz beobachteten Wert). In diesem einfachen Modell hat die neue Variante einen Transmissionsvorteil von 50%. Das einfache numerische Modell macht eine Reihe von vereinfachenden Annahmen. Es soll nicht als Prognose der tatsächlichen Entwicklung der Infektionen in der Schweiz interpretiert werden. Das einfache Modell basiert auf einer Einschätzung von Anfang Januar 2021. Der Modell-Teil berücksichtigt daher insbesondere Massnahmenentscheide vom 18.1.2021, Immunisierung durch Impfung oder kürzlich durchgemachte Infektion nicht. Stattdessen soll dieses Modell aufzeigen, in wieweit es gelingt, die Dynamik von Anfang Januar zu bremsen. Es besteht weiterhin das Risiko eines Anstiegs der Anzahl von Infektionen, Krankenhausaufenthalten und Todesfällen in den kommenden Wochen und Monaten. Wie in Abbildung 1 dargestellt, steigt die absolute Zahl der Infektionen mit B.1.1.7 seit Anfang Januar 2021 kontinuierlich an. Die Mehrheit der Bevölkerung hat noch keine Immunität gegen SARS-CoV-2 durch Impfung14 oder Infektion15. Das bedeutet, dass sich auch unabhängig von Lockerungen der Massnahmen das Risiko einer erneuten Ausbreitung der Epidemie in der Schweiz und damit einer erneut zunehmenden Belastung des Gesundheitssystems stellt. Massnahmenlockerungen führen zu einer Erhöhung von Kontakten und Mobilität und vergrössern dadurch das  Risiko von Ansteckungen. In zwei unserer Nachbarländer (Italien und Österreich) steigen die Infektionszahlen an mit Verdopplungszeiten von ungefähr 18 Tagen (Italien) und 34 Tagen (Österreich; basierend auf den Schätzungen für Re f aufgrund der bestätigten Fälle per 22. bzw. 21. Februar, 16).

 

2. Die Wichtigkeit einer schnellen Impfung

 
Die laufende Impfkampagne und die Aussicht auf eine Zunahme der verfügbaren Impfdosen bietet die Perspektive auf eine schrittweise Normalisierung im Laufe dieses Jahres. Hier legen wir kurz dar, dass eine möglichst schnelle Impfung der wichtigste Faktor ist,  welcher wirtschaftliche und gesellschaftliche Einschränkungen reduziert unter Wahrung des Schutzes der Gesundheit. Die Schweiz hat im Moment eine weitgehend konstante Impfrate. Öffentliche Daten zeigen zunehmende Lieferungen und Verfügbarkeit von Impfstoffen in die Schweiz und zeigen, dass alle Kantone mit einer ähnlichen Geschwindigkeit impfen17. Die derzeitige nationale tägliche Impfrate liegt stabil bei etwa 0,22 % und entspricht damit dem Durchschnitt der Europäischen Union, aber nur einem Drittel der täglichen Raten in den USA (0,62 % und steigend) und Großbritannien (Spitzenwert von 0,66 %), einem Zehntel der Spitzenrate in Israel (Spitzenwert von 2,13 %) [2].  Der aktuelle Lagerbestand an Impfstoffen (beim Bund oder den Kantonen) liegt bei 422k Dosen, was bei der aktuellen Impfrate einem Vorrat von 3 Wochen entspricht. Diese öffentlichen Daten legen nahe, dass die Impfraten auch in der Schweiz in den kommenden Wochen steigen könnten (und sollten). Aus wissenschaftlicher Perspektive ist das Erreichen der maximal möglichen Impfrate von grösster Wichtigkeit. Aus medizinischer Sicht und in Anbetracht der sehr hohen Kosten, die die aktuellen Eindämmungsmassnahmen für Wirtschaft und Gesellschaft verursachen, empfehlen wir, jede zusätzliche Investition in Betracht zu ziehen, die die Verimpfung der in die Schweiz gelieferten Impfdosen beschleunigen könnte. Wir erwarten, dass eine konkrete Zielvorgabe für die tägliche Spitzenimpfquote von Bundesseite hilft, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, um eine hohe Spitzenimpfquote zu erreichen.   Neben einer schnellen Impfung sind konkrete Anleitungen zur Infektionskontrolle und breites und repetitives Testen effektive und kostengünstige Methoden, um Infektionen zu verhindern und Eindämmungsmassnahmen reduzieren zu können ohne Anstieg in der Inzidenz. Bei zunehmendem Kontakt und zunehmender Mobilität werden konkrete Anleitungen zur Verhinderung von Infektionen immer wichtiger, mit gezielte Kampagnen wie Menschen sich und andere schützen können. Breites und häufiges Testen, zusammen mit Isolation und Quarantäne, können weitere Ansteckungen verhindern. Diese Methoden haben potentiell ein ausgezeichnetes Kosten-Nutzen-Verhältnis, und sind wichtige Massnahmen zur Kontrolle der Epidemie.

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