ETH Hönggerberg, Werner, fotografiert am Montag (13.11.2017) Bild: Christoph Kaminski, kellenbergerkaminski

Epidemiologische Lagebeurteilung, 29. November 2021

Allgemeine Situation

Die SARS-CoV-2-Epidemie wird zurzeit fast ausschliesslich durch die Delta-Variante verursacht, die im Sommer die zuvor zirkulierenden Varianten abgelöst hat. Seit Mitte Oktober 2021 steigen die Fallzahlen signifikant. Dieser Anstieg ist seit vorletzter Woche in jeder einzelnen Grossregion signifikant. Seit letzter Woche steigt auch die Belegung der Intensivstationen mit COVID-19 Patienten signifikant an, mittlerweile mit einer Rate von 29% (95% UI: 12-28%) pro Woche. In der letzten Woche wurde auch schon die erste kritische Schwelle von 200 Intensivbettenbelegungen überschritten, über der mit regelmässigen regionalen und überregionalen Transfers von Patient:innen zu rechnen ist und weniger dringlichen Eingriffe verschoben werden[1]. Seit dieser Woche steigen auch die Todesfälle mit 41% pro Woche (95% UI: 6-87%) signifikant an. Die beobachtbare weitere rasche Zunahme der Fälle, und damit der Hospitalisationen und Intensivbettenbelegungen, wird für das immer noch stark belastete Gesundheitswesen sehr schwierig zu bewältigen sein.

Von der Weltgesundheitsorganisation WHO wurde die neue Variante Omikron am 26.11.2021 als besorgniserregend deklariert. Bisher wurde diese Variante in der Schweiz noch nicht nachgewiesen. Es ist aber zu erwarten, dass ein erster Nachweis zeitnah erfolgen wird.

Dynamik

Von Anfang September bis Ende Oktober 2021 nahm die SARS-CoV-2-Epidemie ab (Re<1). Seit Ende Oktober 2021 aber ist die Schätzung des R-Wertes wieder signifikant über 1. Der 7-Tageschnitt der schweizweiten Reproduktionszahl ist bei 1,28 (95% Unsicherheitsintervall, UI: 1,12-1,44); dies reflektiert das Infektionsgeschehen vom 13.11. – 19.11.2021[2].

Tagesbasierte Schätzungen der effektiven Reproduktionszahl Re für die Schweiz betragen:

  • 1,26 (95% UI: 1,12-1,4) aufgrund der bestätigten Fälle, per 19.11.2021.
  • 1,06 (95% UI: 0,93-1,21) aufgrund der Hospitalisationen, per 13.11.2021. Zum Vergleich aufgrund der bestätigten Fälle wird Re für den selben Tag auf 1,33 (95% UI: 1,13-1,52) geschätzt.
  • 1,33 (95% UI: 1-1,72) aufgrund der Todesfälle, per 07.11.2021. Zum Vergleich aufgrund der Hospitalisationen wird Re für den selben Tag auf 1,16 (95% UI: 1,01-1,32) geschätzt. Aufgrund der bestätigten Fälle wird Re für den selben Tag auf 1,32 (95% UI: 1,19-1,45) geschätzt.

Wegen Meldeverzögerungen und Fluktuationen in den Daten könnten die Schätzwerte nachkorrigiert werden. Wir weisen darauf hin, dass die Re Werte das Infektionsgeschehen nur verzögert widerspiegeln, weil eine gewisse Zeit vergeht zwischen der Infektion und dem Testresultat oder dem etwaigen Tod. Für Re Werte, die auf Fallzahlen basieren, beträgt diese Verzögerung mindestens 10 Tage, für Todesfälle bis zu 23 Tagen.

Parallel bestimmen wir die Änderungsraten der bestätigten Fälle, Hospitalisationen und Todesfälle über die letzten 14 Tage[3]. Die bestätigten Fälle stiegen um 34% (UI: 49% bis 20%) pro Woche, die Hospitalisationen um 11% (UI: 24% bis -1%) und die Todesfälle um 41% (UI: 87% bis 6%).   Diese Werte spiegeln das Infektionsgeschehen vor mehreren Wochen wider.

Die Entwicklung der Fallzahlen, Hospitalisierungen und Todesfällen stratifiziert nach Alter kann auf unserem Dashboard verfolgt werden[4]. Die Zahl der Fälle ist in allen Altersgruppen signifikant steigend. In der Altersgruppe der 0-9-Jährigen ist dieser Anstieg mit 46% pro Woche am höchsten, in der Altersgruppe der 10-19-Jährigen mit 41% pro Woche am zweithöchsten. und in den über 80-Jährigen mit 37% pro Woche am dritthöchsten. Im Gegensatz zu letzter Woche, stiegen die Hospitalisierungen über die letzten 14 erfassten Tage in keiner Altersgruppe signifikant.

Absolute Zahlen

Die kumulierte Anzahl der bestätigten Fälle über die letzten 14 Tage liegt bei 982 pro 100’000 Einwohner:innen. Die Positivität liegt bei 14,1% (Stand 26.11.2021, das ist der letzte Tag für welchen nur noch wenige Nachmeldungen erwartet werden).

Die Zahl der täglich neu hospitalisierten Menschen ist im 7-Tage Mittel bei rund 60. Hospitalisiert werden momentan überwiegend Menschen, die sich in der Schweiz angesteckt hatten[5].

Die Anzahl der COVID-19-Patient:innen auf Intensivstationen lag über die letzten 14 Tage im Bereich von 141-219[6] Personen (die Änderung war 29% (UI: 38% bis 21%) pro Woche).

Die Zahl der täglichen laborbestätigten Todesfälle lag über die letzten 14 Tage zwischen 4 und 18[7].

Neue Varianten

Seit Kalenderwoche 26 ist Delta die dominante Variante in der Schweiz. Diese ursprünglich in Indien beschriebene Variante hat seit der Kalenderwoche 38 eine Häufigkeit von 100% unter den sequenzierten Fällen[8]. Aus dem Anstieg der Häufigkeit von Delta in der Schweiz kann man einen Transmissionsvorteil gegenüber Alpha von 58% (95% UI: 56-60%) berechnen, konsistent mit Schätzungen des Übertragungsvorteils von 56% (95% UI: 34%-81%) aus England[9]. Wegen dieses Übertragungsvorteils dominiert Delta jetzt die Pandemie in vielen Teilen der Welt.

Delta verursacht schwerere Verläufe als die zuvor in der Schweiz dominierenden Stämme. In einer grossen Studie in England hatten Patient:innen mit Delta im Vergleich zu Patient:innen mit Alpha ein mehr als doppelt so hohes Hospitalisierungsrisiko[10]. Ein ähnlicher Anstieg des Risikos wurde in Schottland[11] und in Kanada[12] beobachtet.

Omikron

Am 23. November 2021 wurde erstmalig eine neue SARS-CoV-2 Variante in Südafrika und Botswana beschrieben, die sich durch eine starke Häufung von Veränderungen im Stachelprotein auszeichnet. Am 26. November 2021 stufte die Weltgesundheitsorganisation diese Variante als Besorgnis erregend ein und bezeichnete sie mit dem Namen „Omikron“ [13]. Mittlerweile wurde die Variante in verschiedenen europäischen Ländern, Australien, Kanada, und Hongkong festgestellt [14],[15], meist verknüpft mit Einreise von Ländern aus dem Süden Afrikas. In der Schweiz ist die Variante bis heute (29.11.2021) noch nicht eindeutig nachgewiesen.

Omikron ist genetisch am engsten verwandt mit den Varianten, die im ersten Halbjahr 2020 zirkulierten, und ist nicht direkt aus einer anderen besorgniserregenden Variante entstanden[16]. Omikron unterscheidet sich durch rund 30 Mutationen im Stachelprotein von den ursprünglich zirkulierenden Varianten[17]. Diese Mutationen haben wichtige Teile des Stachelproteins deutlich verändert. Das könnte bedeuten, dass Antikörper diese Variante schlechter neutralisieren könnten (was zu partieller Immunevasion führen würde) und das Virus wirksamer an menschliche Zellen bindet (was zu einer höheren Übertragungsrate führen könnte).

In Südafrika hat sich Omikron seit Anfang November in verschiedenen Regionen schnell ausgebreitet[18]. In diesen Regionen hat vormals Delta dominiert und Delta hat sich im Gegensatz zu Omikron nicht vermehrt ausgebreitet. Basierend auf diesen epidemiologischen Beobachtungen und den oben beschriebenen Veränderungen im Stachelprotein besteht die Sorge, dass Omikron gegenüber Delta einen Übertragungsvorteil hat und dass die Impfung oder die Immunität nach der Infektion schlechter gegen Omikron schützt (Immunflucht). Konkrete quantitative Informationen zur Übertragungsrate von Omikron, dem Ausmass der Immunflucht, oder der Schwere von Erkrankungen liegen aber noch nicht vor. Insbesondere ist unklar ob eine partielle Immunflucht den Schutz vor Infektion verschlechtert oder auch den Schutz vor schweren Verläufen in Geimpften und Genesenen verschlechtert.

Einer detaillierten Beurteilung dieser Veränderungen im Stachelprotein von Omikron müssen Laboruntersuchungen, klinische Untersuchungen und epidemiologische Analysen vorangehen. Weltweit arbeiten Labors an der Frage, ob eine – mindestens partielle – Immunflucht vor Antikörper besteht. Dies wird aufgrund der Sequenz erwartet, kann aber noch nicht quantifiziert werden. Zudem wird die epidemiologische Lage von den Experten vor Ort in Südafrika genau verfolgt und es werden zeitnah erste Informationen bezüglich Durchbruchsinfektionen erwartet.

Impfschutz durch zwei Impfdosen über die Zeit

Die Impfung hat mehrere Wirkungen: sie schützt vor der Infektion, davor, dass man die Infektion weitergibt (Transmission), und vor schweren Verläufen und dem Tod. Es ist wichtig diese verschiedenen Wirkungen auseinander zu halten, weil sie verschieden schnell über die Zeit und Altersgruppen abnehmen. Man kann also sowohl die Verbreitung als auch die Krankheitslast durch Impfstoffe verringern. Welches dieser beiden Ziele man in den Vordergrund stellt, entscheidet über die Impfstrategie, also welche Altersgruppen man wann impft, und ob und wann man eine dritte Dosis einsetzt.

Im Folgenden stellen wir kurz dar, was man über diese Impfwirkungen und ihre zeitliche Abnahme weiss:

Schutz durch zwei Impfdosen vor Infektion (symptomatisch und asymptomatisch)

Die Wirksamkeit der Impfung auf Infektionen, einschliesslich asymptomatischer Infektionen, ist schwierig abzuschätzen, weil gerade asymptomatische Infektionen schwer zu erfassen sind. Es gibt übereinstimmende Hinweise auf eine geringere Wirksamkeit von mRNA-Impfstoffen gegen SARS-CoV-2-Delta-Infektionen, einschliesslich asymptomatischer Infektionen. Die Wirksamkeit gegen Infektion des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer ist laut Daten aus Israel bei 39% (95% UI: 9-59%)[19]; und laut Daten aus Schottland bei 79% (95% UI: 75-82%)[20]. In einem Bericht der REACT-Studie wird die Impfwirksamkeit gegen Infektionen von 49% (95% UI: 22-67%) errechnet[21] (hierbei wurde nicht zwischen den in England verwendeten Impfstoffen unterschieden).

Schutz durch zwei Impfdosen vor symptomatische Infektion

Der Impfschutz gegen symptomatische Infektionen mit Delta ist, verglichen mit den 2020 vorherrschenden Virusvarianten und Alpha, reduziert. In den Zulassungsstudien wurde die die Wirksamkeit gegen die 2020 vorherrschenden Virusvarianten für BioNTech/Pfizer auf 95% (95% UI: 90-98%) geschätzt[22] und für Moderna auf 94% (95% UI, 89-97%)[23]. Gemäss einem Bericht von Public Health England[24] ist die Wirksamkeit von 89% (95% UI: 87-90%) gegen Alpha auf 79% (95% UI: 78-80%) gegen Delta gesunken (siehe auch[25],[26]; BioNTech/Pfizer). Aus kanadischen Daten ergibt sich eine Wirksamkeit gegen symptomatische Infektionen mit Delta von 85% (95% UI: 78-89%)[27] (BioNTech/Pfizer und Moderna). Eine Studie aus Kalifornien[28], schätzt die Wirksamkeit des Impfstoffs von Moderna gegen Infektionen mit Delta auf 87% (95% UI: 84-89%), gegen Infektion mit Alpha auf 98% (95% UI: 97-99%).  Gemäss dieser Studie fiel die Wirksamkeit gegen Delta nach fünf Monaten auf 80% (95% UI: 70-87%). Studien aus Israel schätzen eine Wirksamkeit für BioNTech/Pfizer von nur 40% (95% UI: 9-61%) sechs Monate nach der zweiten Impfdosis[29] und eine mehr als doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit von Durchbruchsinfektionen nach drei Monaten[30]. Eine neue Studie aus Schweden[31] schätzt für den Impfstoff von BioNTech/Pfizer einen Abfall des Schutzes gegen symptomatische Infektion von 92% (95% UI: 92-93%) zwei bis vier Wochen nach der Impfung auf 0% nach 210 Tagen. Für den Impfstoff von Moderna reduzierte sich der Schutz von 96% (95% UI:94-97%) zwei bis vier Wochen nach der Impfung auf 59% (95% UI: 18-79%) nach 180 Tagen. Die Schätzungen in dieser Studie beziehen sich vor allem auf die Delta-Variante. Zusammenfassend bedeutet dies: 6 Monate nach doppelter Impfung mit einem mRNA-Impfstoffe ist das Risiko, sich mit der Delta-Variante zu infizieren, schätzungsweise halbiert im Vergleich zu nicht geimpften Menschen.

Schutz durch zwei Impfdosen vor schwerer Erkrankung / Hospitalisierung

Der Impfschutz gegen schwere Erkrankung ist auch für die Delta-Variante anfänglich hoch. Die Wirksamkeit liegt bei ungefähr 96% (95% UI: 91-98%) basierend auf Daten aus Grossbritannien[32],[33], und 88% (95% UI: 78,9-93,2%) basierend auf Daten aus Israel[34]. Diese Schätzungen beziehen sich auf den Schutz, den Geimpfte gegenüber Nicht-Geimpften haben, und sind nicht für die verschiedenen Impfstoffe, die in diesen Ländern verwendet werden, aufgelöst. Gemäss einem Preprint[35] basierend auf Daten aus Kalifornien schützt der Impfstoff von Moderna zu 98% (95% UI: 93-99%) vor einer Hospitalisation nach einer Infektion mit der Delta-Variante. Gemäss einer Studie aus Israel[36], den Analysen von Public Health England[37] und einer Studie aus Schweden[38] scheint der Schutz vor schweren Erkrankungen über die Zeit abzufallen.

In den Schweizer Daten sahen wir einen Impfschutz gegen Hospitalisierung von rund 90% oder höher in allen Altersklassen in den Monaten Juli, August und September 2021[39]. Seit Oktober sehen wir in der Schweiz nun jedoch eine Abnahme der Wirksamkeit in den über 80-Jährigen von 89-94% im September auf 73-87%[40]. Diese Abnahme der Impfwirksamkeit ist konsistent mit Daten aus anderen Ländern.

Dies bedeutet, dass junge doppelt geimpfte Menschen nach wie vor rund 20-mal besser vor einer Hospitalisierung geschützt sind als nicht geimpfte Menschen (entspricht Schutz 95%). Bei älteren doppelt geimpften Menschen hat der Schutz abgenommen, sie sind noch rund 5-mal besser geschützt (entspricht Schutz 80%).

Schutz durch zwei Impfdosen vor Transmission

Die Impfung verhindert die Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 durch mindestens zwei Mechanismen: erstens durch die Verringerung der symptomatischen und asymptomatischen Infektionen und damit der Zahl der infizierten Personen (siehe oben); und zweitens durch die Verringerung der Weiterverbreitung durch diejenigen, die sich trotz Impfung infizieren. Tatsächlich überträgt eine geimpfte Person das Virus selbst bei einer Infektion seltener als eine nicht geimpfte Person. Ein Preprint[41] beschreibt eine Studie, in der geschätzt wurde, dass das Übertragungsrisiko bei einer Durchbruchsinfektion mit der Delta-Variante nach zwei Injektionen des mRNA-Impfstoffs von BioNTech/Pfizer um etwa 66% geringer ist als bei Nicht-Geimpften (das bedeutet, dass ungeimpfte Infizierte 3-mal so viel übertragen wie geimpfte Infizierte). Die genauen Gründe für diesen Schutz sind nicht bekannt; er könnte zum Beispiel durch eine kürzere infektiöse Phase[42] oder durch eine geringere Menge infektiöser Partikel des abgegebenen Virus bei geimpften Personen[43] erklärt werden. Der Schutz nimmt in den ersten 3.5 Monaten nach zwei Impfdosen auf rund 20% ab.

Wirkung der dritten Impfdosis

Schutz der dritten Impfdosis vor Infektion

Eine Reihe von Studien zeigen, dass eine dritte Impfdosis den Schutz vor Infektion verbessert. Studien aus Israel beobachten, dass der Schutz vor der Infektion sich durch eine dritte Impfdosis von rund 50% auf mindestens 95% in allen Altersgruppen [44] und auch in über 60-Jährigen [45] erhöht. Gemäss einem neuen Preprint aus England erhöht eine dritte Dosis des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer den Schutz vor symptomatischen Infektion in über 50-Jährigen auf 94% (95% UI:93-95%)[46]. Die Verbesserung ist konsistent mit zwei Preprints[47], [48], die beschreiben, dass eine dritte Impfdosis das Level neutralisierender Antikörper um das 10-fache erhöht (verglichen mit dem Level unmittelbar vor der dritten Impfdosis). Gleichzeitig ist im Falle einer Infektion die Viruslast reduziert[49] und dadurch wahrscheinlich auch die Weitergabe der Infektion nach einer dritten Impfdosis.

Zusammengefasst steigt der Schutz gegen Infektion von rund 2-fach auf 20-fach durch eine dritte Impfung, im Vergleich zu Nicht-Geimpften in allen Altersgruppen.

Schutz vor Hospitalisierung

Der Schutz vor der Hospitalisierung durch eine dritte Impfdosis wurde für Personen über 40 Jahre auf 93% geschätzt verglichen mit einer Kontrollgruppe die vor länger als 5 Monaten ihre zweite Impfdosis erhalten hatten [50] und in über 60-Jährigen auf 95% [51]. Insbesondere wird der Schutz in den über 80-Jährigen von 80% auf 95% erhöht[52]. Für die Schweiz bedeutet dies, dass eine dritte Impfdosis in dieser Alterskategorie ganz grob bis zu 10’000 Hospitalisierungen verhindern kann (Berechnungen der Task Force vom 21.9.2021: Anhang A in [53]).

Ziele einer Impfkampagne

Das primäre Ziel der Schweizer Impfkampagne war, einen raschen Schutz für die Menschen gegen schwere Verläufe zu erzielen. Daher wurden zwei Impfdosen mit sehr kurzem Abstand (meist 3-4 Wochen) verabreicht. Bei anderen nicht-replikationsfähigen Impfstoffen gilt die Grundimmunisierung erst mit einer dritten Dosis nach 6-12 Monaten als abgeschlossen (z.B. Hepatitis A und B, FSME, Haemophilus influenzae type B, Poliovirus, Diphterie, Tetanus oder Pertussis). Eine dritte Impfdosis ist deshalb nicht aussergewöhnlich und könnte zu einem dauerhafteren Schutz in allen Altergruppen führen, sodass möglicherweise in der breiten Bevölkerung jährliche Auffrischungs-Impfungen nicht notwendig wären. Langfristig könnten, nach einem Impfschema mit drei Dosen, milde natürliche Infektionen möglicherweise einen breiten Schutz auch gegen neue Varianten erzeugen und den Übergang zur Endemizität von SARS-CoV-2 erleichtern.

Wenn das Hauptziel der Impfkampagne die Reduzierung des individuellen Risikos einer Hospitalisierung ist, sind dritte Impfdosen in der älteren Bevölkerung momentan basierend auf den internationalen Daten wie auch den Schweizer Daten angezeigt (siehe auch Berechnungen der Task Force vom 21.9.2021: Anhang A in [54]).

Wenn die Reduzierung von Infektionen angestrebt wird, ist, basierend auf den Daten eine dritte Impfung (6 Monate nach der zweiten Impfdosis) in allen Altersklassen angezeigt (siehe auch Conclusions in Policy Brief vom 25.6.2021 [55]). Diese dritten Impfungen wären ein effektives Werkzeug, die Zahl der Infektionen diesen Winter zu reduzieren. (Der Schutz vor Infektion steigt nach dritter Dosis von 2-fach auf 20-fach gegenüber Nicht-Geimpften, siehe oben). In einem Positionspapier[56] vertreten deutsche Wissenschaftler – unterstützt von Simulationen – die Ansicht, dass eine Booster-Kampagne bei einer Impfgeschwindigkeit von 7% pro Woche bereits nach einem Monat erste Wirkung auf die Ausbreitung der Infektionen zeigen könnte. Diese Reduktion an Infektionen erlaubt die Viruszirkulation und damit den Druck auf das Gesundheitssystem zu reduzieren. Gleichzeitig können Menschen, welche sich nicht selbst durch Impfung schützen können (zum Beispiel Kinder unter 12 Jahren), durch die dritte Impfung von Eltern oder Bezugspersonen geschützt werden – diese Bezugspersonen haben nach dritter Impfung einen 20-fachen Schutz vor Infektion und verringern daher das Risiko, Überträger zu sein. Die Vermeidung von Infektionen kann weiter die Prävalenz von gesundheitlichen Spät- oder Langzeitfolgen von COVID-19 (Long-Covid) verringern.

Quellen:

[1] https://sciencetaskforce.ch/en/scientific-update-of-23-november-2021/

[2] https://sciencetaskforce.ch/reproduktionszahl/ und https://ibz-shiny.ethz.ch/covid-19-re-international/: Die Schätzungen von Re über die letzten Tage können leichten Schwankungen unterliegen. Diese Schwankungen treten insbesondere in kleinen Regionen, bei sich ändernder Dynamik und bei niederen Fallzahlen auf.

[3] https://ibz-shiny.ethz.ch/covidDashboard/trends: Aufgrund von Melderverzögerungen werden die letzten 3 respektive 5 Tage für bestätigte Fälle und Hospitalisationen/Todesfälle nicht berücksichtigt.

[4] https://ibz-shiny.ethz.ch/covidDashboard/, Dashboard Time Series

[5] https://sciencetaskforce.ch/en/scientific-update-of-26-october-2021/

[6] https://icumonitoring.ch

[7] https://www.covid19.admin.ch

[8] https://cov-spectrum.ethz.ch/

[9] https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/993358/s1288_Warwick_RoadMap_Step_4.pdf

[10] https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(21)00475-8/fulltext

[11] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)01358-1/fulltext

[12] https://doi.org/10.1101/2021.07.05.21260050

[13] https://www.who.int/news/item/26-11-2021-classification-of-omicron-(b.1.1.529)-sars-cov-2-variant-of-concern

[14]https://bnonews.com/index.php/2021/11/omicron-tracker/

[15] gisaid.org

[16] https://nextstrain.org/ncov/gisaid/global

[17] https://www.gisaid.org/hcov19-variants/

[18] https://www.nicd.ac.za/frequently-asked-questions-for-the-b-1-1-529-mutated-sars-cov-2-lineage-in-south-africa/

[19] https://www.gov.il/BlobFolder/reports/vaccine-efficacy-safety-follow-up-committee/he/files_publications_corona_two-dose-vaccination-data.pdf

[20] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)01358-1/fulltext

[21] https://spiral.imperial.ac.uk/bitstream/10044/1/90800/2/react1_r13_final_preprint_final.pdf

[22] https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2034577

[23] https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2035389

[24] https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1010472/Vaccine_surveillance_report_-_week_32.pdf

[25] https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2108891

[26] https://doi.org/10.1101/2021.07.05.21260050

[27] https://www.alberta.ca/stats/covid-19-alberta-statistics.htm#vaccine-outcomes

[28] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.09.29.21264199v1.full.pdf

[29] https://www.gov.il/BlobFolder/reports/vaccine-efficacy-safety-follow-up-committee/he/files_publications_corona_two-dose-vaccination-data.pdf

[30] https://www.nature.com/articles/s41467-021-26672-3.pdf

[31]https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3949410

[32] https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1010472/Vaccine_surveillance_report_-_week_32.pdf

[33] https://khub.net/web/phe-national/public-library/-/document_library/v2WsRK3ZlEig/view_file/479607329?_com_liferay_document_library_web_portlet_DLPortlet_INSTANCE_v2WsRK3ZlEig_redirect=https%3A%2F%2Fkhub.net%3A443%2Fweb%2Fphe-national%2Fpublic-library%2F-%2Fdocument_library%2Fv2WsRK3ZlEig%2Fview%2F479607266

[34] https://www.gov.il/BlobFolder/reports/vaccine-efficacy-safety-follow-up-committee/he/files_publications_corona_two-dose-vaccination-data.pdf

[35] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.09.29.21264199v1.full.pdf

[36] https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2114228

[37] https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1017309/S1362_PHE_duration_of_protection_of_COVID-19_vaccines_against_clinical_disease.pdf

[38] https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3949410

[39] https://sciencetaskforce.ch/en/scientific-update-of-26-october-2021/

[40] https://sciencetaskforce.ch/en/scientific-update-of-26-october-2021/

[41] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.09.28.21264260v1.full.pdf

[42] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.07.28.21261295v1.full.pdf

[43] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.08.20.21262158v1

[44] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)02249-2/fulltext

[45] https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2114255

[46] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.11.15.21266341v1.full.pdf

[47] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.09.29.21264089v1.full

[48] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.10.10.21264827v2.full.pdf

[49] https://www.nature.com/articles/s41591-021-01575-4

[50] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)02249-2/fulltext

[51] https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2114255

[52] https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2114255

[53] https://sciencetaskforce.ch/en/scientific-update-of-26-october-2021/

[54] https://sciencetaskforce.ch/en/scientific-update-of-26-october-2021/

[55] https://sciencetaskforce.ch/wp-content/uploads/2021/06/Protection_Duration16Jun2021_EN.pdf

[56] https://arxiv.org/abs/2111.08000

Da die Swiss National COVID-19 Science Task Force per 31. März 2022 aufgelöst wurde, werden künftig keine weiteren epidemiologischen Lagebeurteilungen, wissenschaftlichen Updates oder Policy Briefs publiziert. Alle bisherigen Publikationen, Informationen und Seiten der Science Task Force stehen weiterhin auf dieser Website zur Verfügung.