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Die Swiss National COVID-19 Science Task Force wurde am 31. März 2022 aufgelöst.

Sie wurde durch das Wissenschaftliche Beratungsgremium COVID-19 ersetzt, sodass die Kantone und der Bund weiterhin von der wissenschaftlichen Expertise im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie profitieren können.

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Wissenschaftliches Update, 29. Dezember 2020

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Zusammenfassung

Die Schweiz ist seit November 2020 in einer Situation mit hohen Zahlen von täglichen Neuinfektionen, Hospitalisierungen und Todesfällen. Die Spitäler und vor allem die Intensivpflegestationen sind anhaltend stark belastet. Steigende Infektionszahlen können dazu führen, dass Kapazitätsgrenzen im Gesundheitswesen rasch überschritten werden. Temperaturrückgänge, die Festtage und Wintertourismus können zu vermehrtem Aufenthalt in Innenräumen und in Menschenansammlungen führen und zu grösserer – auch überregionaler – Mobilität. Diese Faktoren können potentiell zu einem Anstieg der Ansteckungen führen. Solche Anstiege können erst mit einer zeitlichen Verzögerung von rund zwei Wochen festgestellt werden.

SARS-CoV-2 Varianten, die sich schneller ausbreiten, stellen in der aktuellen Situation ein grosses zusätzliches Risiko dar. Solche Varianten sind im Dezember 2020 in Grossbritannien (Variante B.1.1.7, alternative Bezeichnung VOC-202012/01) und in Südafrika (Variante 501.V2) identifiziert worden. Epidemiologische Analysen deuten darauf hin, dass diese Varianten wahrscheinlich ansteckender sind als die bislang in der Schweiz dominierenden SARS-CoV-2 Stämme. Die aktuell vorliegenden Studien schätzen eine Erhöhung der Ansteckungsrate für B.1.1.7 im Bereich von 39-71%. Es gibt bislang keine Hinweise, dass diese Varianten schwerere oder mildere Krankheitsverläufe hervorruft als andere SARS-CoV-2 Stämme, oder dass die bislang zugelassenen Impfungen weniger gut schützen würden. Falls die Ausbreitung dieser Varianten aber zu einem Anstieg der Infektionen führen, müsste selbst bei gleichem oder leicht milderem  Verlauf mit einer Zunahme der schweren Erkrankungen und Todesfälle gerechnet werden.

In Kalenderwoche 51 sind beide Varianten – B.1.1.7 und 501.V2 – in der Schweiz nachgewiesen worden. Die Sequenzierung von mehreren hundert Proben weist darauf hin, dass diese Varianten in der Schweiz im Moment noch eine geringe Häufigkeit haben, wahrscheinlich unter 1%. Wenn solche Varianten in der Schweiz häufig werden, muss man damit rechnen, dass die Kontrolle der Epidemie deutlich schwieriger wird. Untersuchungen aus England legen nahe, dass in Regionen, in denen B.1.1.7 häufig geworden ist, sehr starke Massnahmen notwendig sind, um die Transmission zu reduzieren – deutlich stärkere Massnahmen, als in der Schweiz aktuell eingesetzt.

 

Die Ausbreitung dieser Varianten in der Schweiz kann nur durch eine Kombination von allgemeinen Massnahmen und gezielten Interventionen verzögert oder verhindert werden. Wir kommen zur Einschätzung, dass folgendes Vorgehen geeignet ist:

  • Der Einsatz von flächendeckenden, wirkungsvollen Massnahmen, um die Ansteckungen mit den aktuell dominierenden Virenstämmen alle zwei Wochen zu halbieren. Solche Massnahmen reduzieren auch die Ansteckungen mit den neuen Varianten.
  • Zusätzlich eine gezielte Suche nach den neuen Varianten in der Schweiz, und ein Unterbrechen der Ansteckungsketten. Das erfordert grossangelegtes Testen, intensive Kontaktverfolgung in Fällen, wo eine Infektion mit den neuen Varianten vermutet wird und genetische Charakterisierung.

Ein einfaches mathematisches Modell zeigt auf, dass – basierend auf den aktuell vorliegenden Erkenntnissen – dieses Vorgehen erlaubt, die Ausbreitung der neuen Varianten in der Schweiz zu verhindern, wenn mindestens ein Drittel der Transmissionen der neuen Varianten durch gezieltes Eingreifen unterbrochen werden kann.

Es ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft weitere Varianten von SARS-CoV-2 mit veränderten biologischen Eigenschaften entstehen werden und sich verbreiten.  Zwei Punkte helfen, das damit verbundene Risiko zu verringern. Ein rasches Absenken der Infektionszahlen führt zu einer grösseren Sicherheitsreserve, zu einer Entlastung der Situation im Gesundheitssystem, und verringert auch die Entstehung von neuen Varianten in der Schweiz. Eine engmaschige genetische Überwachung der Virenstämme in der Schweiz ermöglicht es zudem, neue Varianten frühzeitig zu erkennen, deren Verbreitung zu analysieren  und dadurch schnell reagieren zu können.

1. Epidemiologische Situation

1.1. Aktuelle Entwicklung in der Schweiz Über die ganze Schweiz zeigt die SARS-CoV-2-Epidemie einen stabilen bis leicht rückgängigen Verlauf. Die geschätzte effektive Reproduktionszahl Re beträgt1, 2:
  • 0,86 (95% Unsicherheitsintervall, UI: 0,84-0,87) aufgrund der bestätigten Fälle (per 18.12.2020)
  • 0,84 (95% UI: 0,75-0,93) aufgrund der Hospitalisationen (per 13.12.2020)
  • 0,96 (95% UI: 0,84-1,09) aufgrund der Todesfälle (per 7.12.2020)
Schweizweit liegt somit Re für alle drei Indikatoren oberhalb des von der Swiss National COVID-19 Science Task Force vorgeschlagenen Zielwerts von 0,8. Insbesondere wurde über die Feiertage weniger getestet3 und daher ist aus unserer Sicht die Reproduktionszahl basierend auf bestätigten Fällen eine Unterschätzung des Infektionsgeschehen. Generell müssen aufgrund von Meldeverzögerungen, der hohen Testpositivität, einer variierenden Anzahl Tests und der Feiertage müssen die einzelnen Schätzwerte von Re mit Vorsicht interpretiert werden. Die Analyse basierend auf den Re Schätzwerten wird gestützt durch die beobachteten Verdopplungs- bzw. Halbwertszeiten der bestätigten Fälle und Hospitalisationen über die letzten 14 Tage4. Die Anzahl der COVID-19-Patienten auf Intensivstationen (446-482)5 und der täglichen Todesfälle (69-91)6  bleiben über die letzten 14 Tage auf hohem Niveau relativ stabil. Die kumulierte Anzahl der bestätigten Fälle über die letzten 14 Tage liegt bei 627 pro 100’000 Einwohner. Seit dem 1. Oktober 2020 weist das Bundesamt für Gesundheit 4’957 laborbestätigte Todesfälle aus7. Die Kantone meldeten in dieser Zeit 5’425 Todesfälle8, 9 .Die Sterblichkeitsstatistik vom Bundesamt für Statistik weist über die letzten 8 gemeldeten Wochen eine deutliche Übersterblichkeit in der Altersgruppe 65 Jahre und älter auf10. Diese Übersterblichkeit zeigt sich in allen Grossregionen der Schweiz mit Ausnahme der Région lémanique11. 1.2. Regionale Unterschiede Die kumulierte Anzahl der täglich bestätigten Fälle über die letzten 14 Tage pro 100’000 Einwohner liegt zwischen 337 (Valais / Wallis) und 938 (Tessin) (Liechtenstein 1329). In allen 7 Grossregionen liegt Re aufgrund der bestätigten Fälle (Median) derzeit über dem von der Swiss National COVID-19 Science Task Force vorgeschlagenen Zielwert von 0,8, welcher zu einer Halbierung der Anzahl Neuinfektionen innerhalb maximal 14 Tagen führt12. Insbesondere betonen wir nochmals dass aufgrund von weniger Tests über die Feiertage diese Werte aus unserer Sicht das Infektionsgeschehen unterschätzen: Espace Mittelland (0,84; 95% UI: 0,8-0,88), Zentralschweiz (0,85; 95% UI: 0,8-0,91), Nordwestschweiz (0,86; 95% UI: 0,82-0,91), Région lémanique (0,9; 95% UI: 0,85-0,95), Zürich (0,91; 95% UI: 0,88-0,95), Ticino (0,94; 95% UI: 0,87-1,01). Die Werte von Re können auf kantonaler Ebene auch innerhalb einer Grossregion grössere Unterschiede aufweisen13.

2. Varianten VOC-202012/01 und 501.V2 in der Schweiz

2.1. Genetische, virologische und epidemiologische Evidenz

Zwei SARS-CoV-2-Varianten sind in den letzten Monaten in Grossbritannien und in Südafrika häufig geworden. Die Varianten in beiden Ländern teilen sich eine Mutation im Spike-Protein an der Position 501 von N nach Y. Diese Mutation war bereits zuvor beobachtet worden, aber die beiden Varianten, die sich in Grossbritannien (B.1.1.7) und Südafrika (501.V2) ausbreiten, haben eine ungewöhnlich große Anzahl zusätzlicher Mutationen im Spike-Protein.

Es wurde gezeigt, dass die 501Y-Mutation die Bindung an den Rezeptor ACE2 erhöht, was den Zelleintritt des Virus steigern könnte (Star et al.). Diese Mutation erhöht die virale Replikation in einem Mausmodell (Gu et al.) und trat bei einem chronisch infizierten Patienten auf (Choi et al.).  Bei der B.1.1.7-Linie sind die Aminosäuren 69 und 70 des Spike-Proteins deletiert. Diese Deletionen wurden ebenfalls kürzlich bei einer chronischen Infektion in einem immungeschwächten Patienten beobachtet (Kemp et al.). Die Varianten in diesem Patienten wies eine reduzierte Bindungsaffinität von Antikörpern in rekonvaleszenten Seren auf. Die Variante 501.V2 trägt zusätzliche Mutationen in Spike an den Positionen 417 und 484, die in die Rezeptorbindungsdomäne fallen und die Affinität einiger Antikörper reduzieren.

Diese Varianten haben sich schnell im Südosten Englands beziehungsweise in Südafrika ausgebreitet und wurden im Laufe weniger Wochen dominant. Epidemiologische Modellierungen und die Analyse von weiterer Evidenz durch britische Wissenschaftler deuten darauf hin, dass sich B.1.1.7 wesentlich schneller ausbreitet als andere zirkulierende Stämme. Inwieweit auch demographische Effekte beigetragen haben zum schnellen Anstieg ist nicht klar. Zusammengenommen deuten die Erkenntnisse aus Epidemiologie, molekularer Evolution und Virologie auf eine erhöhte Übertragungsrate durch virale Adaptation hin. Weitere Untersuchungen sind im Gange, um den Effekt auf die Übertragbarkeit genauer zu quantifizieren. Zusammenfassend lässt sich im Moment folgendes sagen über die biologischen Eigenschaften dieser Varianten:

Für B.1.1.7 besteht im Moment gute Evidenz (“high confidence”, NERVTAG), dass die Übertragungsrate gegenüber anderen COVID-19-Stämmen erhöht ist. Der Transmissionsvorteil von B.1.1.7 wird durch verschiedene Methoden geschätzt auf zwischen 39% und 71% 14 15.

Für Variante 501.V2 sind quantitative Schätzungen der Übertragungsrate noch nicht verfügbar. Die rasche Ausbreitung dieser Variante und Zunahme der Fallzahlen deuten aber auch auf eine erhöhte Übertragungsrate hin.

Für beide Varianten gibt es bislang keine Information darüber, dass die Schwere der Krankheitsverläufe anders ist als bei den andern SARS-CoV-2 Varianten. Es gibt bislang keine Information darüber, ob die Wirkung gegenüber den aktuell zugelassenenen Impfungen verändert ist im Vergleich zu anderen COVID-19 Varianten.

Auch falls die Mutationen in B.1.1.7 und 501.V2 keinen Einfluss auf die Schwere der Krankheitsverläufe haben, besteht das Risiko einer Zunahme der Hospitalisationen und Todesfälle durch eine erhöhte Übertragungs- und damit Fallrate. Ohne zusätzliche Massnahmen wird eine Erhöhung der Übertragungsrate dazu führen, dass die Zahl an infizierten Menschen zunimmt, und damit die Hospitalisationen und Todesfälle zunehmen. Dieser Punkt wird illustriert durch die Situation in Grossbritannien: in den Regionen, wo die Variante B.1.1.7 in November und Dezember stark an Häufigkeit zugenommen hat16, sind die Fallzahlen und die Hospitalisationen stark angestiegen 17.

Die Ausbreitung von Varianten mit erhöhter Ansteckungsrate stellt also ein beträchtliches Risiko dar. Wenn solche Varianten häufig werden, können Ansteckungen und damit Erkrankungen und Todesfälle zunehmen. Zudem reduziert eine erhöhte Ansteckungsrate die Wirkung von Eindämmungsmassnahmen, so dass stärkere Massnahmen notwendig werden können, die für die Gesellschaft und Wirtschaft mit noch grösseren Einschränkungen verbunden sind.

2.2. Aktuelle Situation in der Schweiz

In der Schweiz sind in Kalenderwoche 51 vier Proben mit B.1.1.7 und zwei Proben mit 501.V2 identifiziert worden. Die Proben mit der Variante B.1.1.7 wurden identifiziert durch gezieltes Testen und Sequenzieren bei Personen – und den Kontakten dieser Personen – mit einer Verbindung zu Grossbritannien. Die Proben mit der Variante 501.V2 wurden identifiziert durch Analyse von 466 Proben aus der Woche Dez. 11-17 (wobei 362 erfolgreich sequenziert wurden).

2.3. Verzögerung oder Verhinderung der Ausbreitung dieser Varianten

Auf Grund der geschätzten Übertragungsrate muss man davon ausgehen, das diese Varianten schnell an Häufigkeit zunehmen in der Schweiz. Um die Ausbreitung einzudämmen, ist deshalb ein schnelles und entschlossenes Vorgehen essentiell. Mit jeder Woche ist ein Eindämmen schwieriger, weil die Anzahl der Infektionen mit den Varianten zunimmt und sich die Infektionen weiter weg bewegen von Personen, die durch eine Einreise aus Grossbritannien oder Südafrika potentiell diese Varianten in die Schweiz gebracht haben.

Wie bereits in dem ncs-tf Statement vom 25. Dezember geschrieben (link), halten wir folgendes Vorgehen für wirkungsvoll, um die Ausbreitung dieser Varianten in der Schweiz zu verhindern oder entscheidend zu verzögern: eine Kombination von flächendeckenden, strengen Massnahmen zusammen mit gezieltem Testen und intensiver Kontaktverfolgung auf die neuen Varianten.

Wir schlagen weiterhin vor, eine Halbierung der Infektionen mit den aktuell dominierenden SARS-CoV-2 Stämmen alle zwei Wochen anzustreben. Das erreicht man, wenn die Reproduktionszahl Re für diese Stämme auf unter 0.8 (genauer auf 0.78 oder tiefer) gebracht wird. In dieser Situation muss man aber wegen der geschätzten höheren Ausbreitungsrate davon ausgehen, dass die neuen Varianten weiterhin an Häufigkeit zunehmen können. Wenn Re für die aktuell in der Schweiz dominierenden SARS-CoV-2 Stämme unter 0.8  gebracht wird, dann liegt das Re der neuen Varianten wahrscheinlich deutlich über 1. Gemäss der Schätzung in Davies et al [15], einer Erhöhung der Ansteckungsrate von ca. 50% für B.1.1.7, würde das Re für die neuen Varianten in dem Fall bei etwa 1.2 liegen. Das heisst, die neue Varianten würden sich exponentiell ausbreiten, aber immer noch weniger schnell als bei weniger strengen Massnahmen.

Um die Ausbreitung der neuen Varianten zu unterbinden, ist es zudem wichtig, Ansteckungsketten durch intensives Testen, Genotypisieren und Kontaktverfolgung gezielt zu unterbrechen. Wenn man ein Drittel der Ansteckungen der neuen Varianten durch gezieltes und intensiveres TTIQ (Testen, Tracen, Isolation und Quarantäne) verhindern kann, so kann man damit wahrscheinlich die Reproduktionszahl der neuen Varianten ebenfalls unter 1 bringen und damit eine Ausbreitung verhindern.

Diese Überlegungen lassen sich mit einem einfachen mathematischen Modell illustrieren. Dieses Modell macht eine Reihe von vereinfachenden Annahmen. Es dient deshalb nur der Illustration der obigen Überlegungen, und soll nicht als Prognose der tatsächlichen Entwicklung der Infektionen in der Schweiz interpretiert werden. Konkret macht das Modell folgende Annahmen:

  • Dass im Moment (Ende Dezember 2020) die Zahl täglicher bestätigter Infektionen in der Schweiz etwa 4’000 beträgt (die tatsächliche Anzahl der Infektionen liegt deutlich höher wegen der Dunkelziffer)
  • dass sich die Eindämmungsmassnahmen wie auch das Verhalten der Bevölkerung über die Zeit nicht ändern.
  • dass Ende Dezember 2020 der Anteil der neuen Variante bei 1% aller Infektionen liegt, und dass keine weiteren Infektionen mit der neuen Variante in die Schweiz eingebracht werden.
  • dass intensives Testen und gezielte Kontaktverfolgung (die unterste Linie auf der letzten Folie) dazu führt, dass 1/3 der Ansteckungen der neuen Variante verhindert werden können.

Abbildung 1 zeigt mögliche Entwicklungen der Fallzahlen unter zwei Szenarien. Im Szenario A  wird durch Eindämmungsmassnahmen die Reproduktionszahl der aktuell in der Schweiz dominierenden SARS-CoV-2 Stämme auf 0.9 gebracht, so dass die Zahl der Ansteckungen mit diesen Stämmen etwa alle vier Wochen halbiert wird. Im Szenario B wird durch Eindämmungsmassnahmen die Reproduktionszahl der aktuell in der Schweiz dominierenden SARS-CoV-2 Stämme auf 0.8 gebracht, so dass die Zahl der Ansteckungen mit diesen Stämmen etwa alle zwei Wochen halbiert wird.Unter diesen vereinfachenden Annahmen kann die Ausbreitung der Varianten – und damit ein Ansteigen der Infektionen – verhindert werden mit den Eindämmungsmassnahmen des zweiten Szenarios zusammen mit gezielten und intensiven TTIQ, das 1/3 der Ansteckungen der neuen Variante verhindern kann. Ohne gezieltes und intensives TTIQ kann eine Ausbreitung der neuen Varianten, und ein starkes Ansteigen der Infektionen, gemäss diesen Abschätzungen nicht verhindert werden.

Diese Resultat illustriert den Punkt, dass in der aktuellen Situation – mit hohen Infektionszahlen und der Anwesenheit von Varianten mit wahrscheinlich höheren Ansteckungsraten – sowohl flächendeckende, wirksame Massnahmen wie auch intensives TTIQ spezifisch auch auf die Varianten notwendig sind, um eine Ausbreitung dieser Varianten – und damit die Notwendigkeit von noch viel strengeren Massnahmen – zu verhindern.

Abbildung 1: Einfache quantitative Szenarien der Entwicklung der Fallzahlen in Anwesenheit einer Variante mit einer erhöhten Übertragung, mit zwei verschiedenen Szenarien von Eindämmungsmassnahmen und mit und ohne gezielte Kontaktverfolgung. Die drei Figuren zeigen die Entwicklung der Fallzahlen in Anwesenheit einer Variante (ursprünglich mit einer Häufigkeit von 1%) mit einer 30% ( oben, grün), 50% (Mitte, gelb) und 70% (unten, rot) erhöhten Übertragung (zum Vergleich: der Transmissionsvorteil von B.1.1.7 wird durch verschiedenen Methoden geschätzt auf zw. 39% u. 71%, siehe oben). Szenario A entspricht einer Situation, in der durch Eindämmungsmassnahmen die Reproduktionszahl der aktuell in der Schweiz dominierenden SARS-CoV-2 Stämme 0.9 beträgt. Szenario B entspricht einer Situation, in der durch Eindämmungsmassnahmen die Reproduktionszahl der aktuell in der Schweiz dominierenden SARS-CoV-2 Stämme 0.8 beträgt.

Wie kann intensives und gerichtetes TTIQ spezifisch Ansteckungen mit diesen Varianten unterdrücken?

Erstens müssen möglichst viele Menschen identifiziert werden, die mit diesen neuen Varianten infiziert sind. Die Wahrscheinlichkeit, diese Variante zu tragen, ist erhöht in Menschen i) die sich vor kurzem in Grossbritannien oder Südafrika aufgehalten haben, ii) die Kontakt hatten mit Menschen, die sich vor kurzem in Grossbritannien oder Südafrika aufgehalten haben, oder iii) einen sogenannten S-dropout im PCR-Test aufweisen.

Um möglichst viele Menschen zu identifizieren, die diese Kriterien erfüllen, bietet sich an, i) Menschen mit einer solchen Verbindung nach Grossbritannien und Südafrika gezielt und systematisch zu testen und ii) die positiv getesteten Personen auf die Anwesenheit der für diese Varianten charakteristischen Mutationen zu screenen.

Bei Personen, die mit einer Variante (VOC-202012/01 oder 501.V2) infiziert sind, schlagen wir eine intensivierte Kontaktverfolgung vor mit Vorwärts- und Rückwärtsverfolgung: das Ziel der Vorwärts-Kontaktverfolgung ist, Menschen zu finden, die potentiell von der infizierten Person angesteckt wurden (wie das auch schon routinemässig gemacht wird). Im Fall von Infektionen mit einer Variante schlagen wir vor, Kontakte bis fünf Tage vor dem Einsetzen der Symptome zu suchen (statt zwei Tage, wie das routinemässig gemacht wird) und auch die Kontakte von Kontakten in die Quarantäne zu bringen.

Das Ziel der Rückwärts-Kontaktverfolgung ist es, zu ermitteln, von wem eine infizierte Person angesteckt wurde. Die Rückwärts-Kontaktverfolgung erlaubt das Auffinden von Clustern (link). Eine Rückwärts-Kontaktverfolgung über 14 Tage vor dem Auftreten der Symptome vergrössert die Wahrscheinlichkeit, die Quelle der Ansteckung, und damit möglicherweise ein Cluster von Ansteckungen, zu finden.

In dieser Situation schlagen wir vor, alle identifizierten Kontakte auch sofort zu testen auf SARS-CoV-2.

Hinweise

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