Sehr geehrte Damen und Herren, Mesdames et Messieurs,
Die Pandemie ist noch nicht vorbei, doch es herrscht in der Schweiz keine akute Krisensituation mehr. Die Schweiz geht in vielen Bereichen von den Krisenstrukturen in reguläre Strukturen über, welche die langfristige Herausforderungen durch SARS-CoV-2 mit einbeziehen müssen. Zu diesem Übergang gehört auch, dass sich die wissenschaftliche Task Force Ende März auflösen wird. Gerne möchte ich die Gelegenheit nutzen, die aktuelle Situation nochmals einzuschätzen und einen Ausblick zu geben, wo die Task Force die wichtigsten Handlungsfelder für die Zukunft sieht.
Seit Ende Februar steigen die Fallzahlen wieder, was auch im Abwasser klar sichtbar ist. Wir haben berechnet, dass nach den Öffnungsschritten der R-Wert um rund 20% gestiegen ist. Zeitgleich hat die Omikron Variante BA.2 die zuvor dominante Variante BA.1 abgelöst, was den R-Wert nochmals um 35-50% erhöht hat. Momentan stecken sich pro Woche rund 9% der Menschen in der Schweiz an – dies immer unter der Annahme, dass sich etwa 4 mal mehr Menschen anstecken, als wir bestätigte Fallzahlen haben. Die letzten Tage ist der Anstieg abgeflacht aber aufgrund von der hohen Dunkelziffer ist unklar, ob dies ein anhaltender Trend ist. Wir erwarten, dass die Welle im Frühjahr aufgrund von steigender – zumindest kurzfristiger – Immunität und Saisonalität abflacht.
Die Immunität gegen schwere Verläufe, welche in der Schweiz besonders durch Impfung erreicht wurde, bewahrt uns mit Omikron vor vielen Todesfällen. In der zweiten Welle sind in der Schweiz 20 von 1000 Menschen mit einer bestätigten Infektion gestorben. In der Omikron Welle ist die Fallsterblichkeit um das 40fache gesunken, dh jetzt stirbt weniger als 1 Person von 1000 Fällen.
Die Spitaleinweisung bei den Älteren nehmen jedoch wieder zu. Dass der Impfschutzes gegen schwere Verläufe abgenommen hat, kann daraus nicht abgeleitet werden. Pro 1000 bestätigten Fällen in dieser Altersklasse kommen seit dem Start Omikron-Welle ca. 35 Menschen ins Spital. Da die Infektionen in dieser Altersklasse aber angestiegen sind, fuehrt dies auch zu mehr Spitaleinweisungen. In Zürich beispielsweise ist die Zahl der COVID-19 Patienten und Patientinnen auf der Normalstation so weit angestiegen, dass die Belegung nur in der 2. Welle höher war. Dies zusammen mit den vielen COVID-19 bedingten Ausfällen beim Personal bedeutet, dass es nicht mehr möglich ist allen Patienten die optimale Behandlung zukommen zu lassen.
Auf der IPS befinden sich momentan 150 Patienten und Patientinnen.
Die wissenschaftliche Task Force hat es sich während der Pandemie zur Aufgabe gemacht auch vorauszublicken, um mögliche Entwicklungen und Handlungsfelder benennen zu können. Ein grosser Vorteil dabei war, das immer ganz unterschiedliche Forschungsgebiete in der Task Force vertreten waren und ihre Perspektive einbrachten. Dies zeigt sich auch im Dokument vom 15.Februar, aus denen ich ihnen gerne ein paar Punkte zusammenfasse:
Eine der wichtigsten Fragen wird bleiben: Wie können wir grosse Wellen von Infektionen in der Zukunft verhindern?
Da wir die Transmission durch Aerosole und Tröpfchen unterdessen gut verstehen, haben wir zwei wirksame Instrumente in der Hand: Zum einen, dass wir in Innenräumen für eine gute Luftqualität sorgen, besonders im Hinblick auf die kalte Jahreszeit in der vielleicht weniger gelüftet werden kann. Zum andern: Wir wissen: Masken bieten eine guten Schutz. Besonders das kollektive Maskentragen schützt das Individuum und die Gesellschaft am besten. Daten des Max-Planck-Instituts legen nahe: Wenn bei einer Veranstaltung alle eine medizinische Maske tragen ist der Schutz einer einzelnen Person vor Infektion um 20-300 höher als wenn diese Person eine FFP2 Maske trägt, aber sonst niemand eine Maske braucht. Masken sind insbesondere in Zeiten von hoher Viruszirkulation sehr effektiv. Diese Instrumente – gute Luft und Masken – sollten wir jederzeit in der Hinterhand haben, für den Fall, dass sich die Situation wieder verschlechtert.
Ein weiterer Punkt ist: Infektionen werden verhindert, wenn Menschen mit Symptomen und positiv getestete Personen ohne Symptome zuhause bleiben. Falls Kontakte unumgänglich sind, ist es sinnvoll, konsequent eine FFP2- Maske zu tragen. Generell ist die Isolation eine sehr gezielte und effiziente Massnahme um Übertragungsketten zu vermeiden, wenn die Dunkelziffer und Fallzahlen tief sind.
Zweitens: Um vorbereitet zu sein, müssen wir die Epidemie in der Schweiz intensiv überwachen
Konkret bedeutet das, wir brauchen Daten, um zu sehen, wie sich die Epidemie entwickelt. Nimmt die Immunität gegen schwere Verläufe ab? Dann müssten wir schnell mit Auffrischimpfungen reagieren können. Taucht eine neu Variante auf, welche die Immunabwehr gegen schwere Verläufe umgeht? Dann bräuchten wir eine effiziente Eindämmung der Variante bis die Bevölkerung durch eine angepasste Impfung wieder einen guten Schutz hat. Für die wissenschaftliche Task Force ist es deshalb zentral, dass das immunologische und genomisches Monitoring der Bevölkerung und das Monitoring des Abwassers fortgesetzt werden, um neue Entwicklungen rasch zu erkennen..
Drittens: Long Covid und die anhaltende psychische Belastung durch die Pandemie ist eine Realität und wird die Gesellschaft noch lange Zeit beschäftigen.
Viele Menschen in der Schweiz sind von Long Covid betroffen. Betroffene brauchen eine wirksame Behandlung und Erwerbsunfähige eine finanzielle Absicherung. Kohortenstudien und ein systematisches Erfassen der Fälle helfen dabei, das Wissen zu Long Covid zu erweitern und den Betroffenen besser zu helfen.
Es geht auch um die langfristige psychische Gesundheit in der Schweizer Bevölkerung. Die Pandemie berührte insbesondere bei der jungen Generation grundlegende Fragen zur Sicherheit und Zukunft. Unsere Experten und Expertinnen weisen darauf hin, dass die während der Pandemie hohe Zahl psychiatrischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen deutlich gemacht haben, dass die bestehenden Angebot in einigen Bereichen nicht ausreichen. Die betrifft beispielsweise die Behandlung von Patienten und Patientinnen mit Depressionen, Angststörungen und einem Suizid-Risiko.
Viertens: Ökonomisch ist die Schweiz in einer guten Position, aber gesellschaftlich sind die Auswirkungen ungleich verteilt
Der Schweizer Wirtschaft ist besser als anfangs befürchtet durch diese Pandemie gekommen. Insbesondere die Unterstützung zur Überbrückung und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit während der ersten Welle der Pandemie haben dabei eine wichtige Rolle gespielt. Weite Teile der Wirtschaft haben seitdem gelernt, sich an die jeweilige Phase der Pandemie anzupassen.
Unsere Expertinnen und Experten weisen darauf hin, dass Menschen – auch hier in der Schweiz – mit einem tieferen sozio-ökonomischem Status stärker von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sind als Menschen mit hohem sozio-ökonomischem Status. In Zukunft ist es wichtig, diese Auswirkungen genauer zu quantifizieren und zu analysieren.
Heute ist das letzte Mal, dass die STF an einem PdP berichtet. Hier zwei Punkte die mir zum Abschluss wichtig sind:
Erstens: Auch nach Ende der STF wird es weiter Forschung zu SARS-CoV-2 geben. In ihrer Rolle als Wissenschaftler:innen werden relevante Erkenntnisse auch nach wie vor kommuniziert – beispielsweise über die Hochschulen oder die Forschungsinstitutionen.
Zweitens: Wenn in einer Krise der Austausch zwischen Wissenschaft und Politik funktioniert generiert dies einen Mehrwert für die Gesellschaft. Im aktuellen Pandemiengesetz ist nicht definiert, wie die Wissenschaft die Politik und Behörden unterstützen kann. Der Aufbau eines konstruktiven Austauschs braucht Zeit und sollte in Nicht-Krisen Zeiten etabliert werden.
Wenn uns diese Pandemie etwas gelernt hat dann dies: Wenn wir gemeinsam und vorausschauend handeln, sind wir zu sehr viel mehr fähig, als wir gedacht haben. Nutzen wir alle Erkenntnisse, die wir in den letzten zwei Jahren gewonnen haben, sinnvoll, um bei der nächsten Krise als Gesellschaft noch besser vorbereitet zu sein.