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Die Swiss National COVID-19 Science Task Force wurde am 31. März 2022 aufgelöst.

Sie wurde durch das Wissenschaftliche Beratungsgremium COVID-19 ersetzt, sodass die Kantone und der Bund weiterhin von der wissenschaftlichen Expertise im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie profitieren können.

Diese Website wird daher nicht mehr aktualisiert, ihr Inhalt ist jedoch als Archiv weiterhin zugänglich.

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Rede von Martin Ackermann am Point de presse, 29. Dezember 2020

Es gilt das gesprochene wort

Sehr geehrte Damen und Herren 

Sie haben die aktuellen Zahlen gesehen. Diese sind aus wissenschaftlicher Sicht nur eine Momentaufnahme und sie sind nur mit äusserster Vorsicht zu interpretieren. Selbst wenn jetzt die Fallzahlen und der R-Wert über die Feiertage leicht gesunken sind, möchte die Task Force mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass die Zahl der Neuansteckungen immer noch viel zu hoch ist. 

In der Schweiz sterben durchschnittlich über 80 Menschen pro Tag, und die Schweiz liegt damit bei den Todesfällen auf 100’000 Einwohner weltweit auf dem traurigen siebten Platz. 

Auch ist die Situation in den Schweizer Spitälern immer noch sehr angespannt, wir sind und bleiben da in einer gefährlichen Risikozone. Jederzeit können weitere erschwerende Faktoren hinzukommen. 

Einen solchen erschwerenden Faktor stellen zum Beispiel die neuen, ansteckenderen Varianten dar.       

Letzte Woche sind zwei Varianten – die aus Grossbritannien und jene aus Südafrika – in der Schweiz nachgewiesen worden. Einerseits wurden gezielt Personen aus dem Umfeld von Einreisenden aus Grossbritannien getestet, andererseits hat die ETH Zürich im Rahmen einer Forschungsarbeit mehrere hundert Proben sequenziert. Bei diesen Proben wurde auch die südafrikanische Variante entdeckt. Aufgrund dieser Stichproben gehen wir davon aus, dass die Ansteckungen mit der neuen Variante im Moment unter einem Prozent liegen. 

Sechs bestätigte Fälle und unter einem Prozent der Neuansteckungen durch die neuen Varianten – das tönt nicht nach besonders viel. 

Ein Blick nach London – das besonders betroffen ist – zeigt aber, wie schnell sich die neuen Varianten ausbreiteten können. Grossbritannien informierte die WHO Mitte Dezember über die neue Variante, heute wird diese schon bei einem Grossteil der Neuansteckungen im Grossraum London nachgewiesen. 

Meine Damen und Herren – wir wissen es alle: Mehr Infektionen bedeutet auch immer mehr Hospitalisierung und mehr Todesfälle. 

In London haben sich die Hospitalisierungen vom 16. bis zum 22. Dezember – also in nur einer Woche – verdoppelt. Anders als bei den Massnahmen, deren Wirkung wir immer erst verzögert sehen, hat diese neue Variante also schnell und unmittelbar einen Einfluss auf das Infektionsgeschehen. 

Expertinnen und Experten in Grossbritannien gehen davon aus, dass die neue Variante zwischen rund 40 und 70 Prozent ansteckender ist, als die bisherigen Stämme von SARS-CoV-2. 

Was bedeutete das konkret? 

Die Task Force hat Szenarien modelliert. Diese sind –  und das möchte ich hier betonen – mit Unsicherheiten behaftet und stark vereinfacht. 

Trotzdem sehen wir es als Aufgabe der Wissenschaft an, vorausschauend auch zu warnen, wenn wir sehen, dass sich aufgrund einer neuen Ausgangslage die Situation in der Schweiz verschlechtern könnte. 

Wir sind dabei von der aktuellen Zahl von rund 4’000 bestätigten Fällen anfangs Januar ausgegangen und dass sich die Eindämmungsmassnahmen und das Verhalten der Bevölkerung während dieser Zeit nicht wesentlich ändert.

Auf der ersten Folie sehen Sie, wie sich die die Fallzahlen entwickeln würden ohne die Varianten. 

– Die orange Kurve entspräche einer Halbierung etwa alle 4 Wochen, also einem R-Wert von 0.9. 

– Die blaue Kurve entspräche einer Halbierung etwa alle zwei Wochen, also einem R-Wert von 0.8. 

 

Ich rede hier bewusst im Konjunktiv, weil die Varianten ja bereits in der Schweiz nachgewiesen wurden.

In dieser Grafik sehen Sie, wie sich die beiden Kurven mit der neuen Variante entwickeln könnten. 

Wir haben in diesem Szenario angenommen, dass diese Varianten eine um 50 Prozent erhöhte Ansteckungsrate haben – wir haben also einen mittleren Wert genommen. Zudem sind wir davon ausgegangen, dass der Anteil der neuen Varianten am Anfang bei 1 Prozent aller Infektionen liegt. 

Im ersten Szenario fällt dabei die orange Kurve zuerst noch etwas ab, um dann schnell anzusteigen, je höher der Anteil der ansteckenderen Varianten im Laufe der Zeit wird. 

Eine günstigere Ausgangslage haben wir im zweiten Szenario, wenn wir es schaffen, ein schnelles Abfallen der Infektionen zu erreichen. Hier gelingt es, die blaue Kurve flacher zu halten, aber auch in diesem Szenario steigt sie im Frühling wieder an.

Dieser Anstieg kann verhindert werden, wenn wir durch intensives Testen und intensive Kontaktverfolgung rund ein Drittel der Ansteckungen mit der neuen Variante verhindern könnten  –  hier die gestrichelte blaue Linie. 

Ich komme später darauf zurück. 

Die Ausbreitung der Varianten muss also unter allen Umständen so gut wie möglich verhindert oder zumindest hinausgezögert werden. Dabei sind aus wissenschaftlicher Sicht zwei Punkte zentral:

Erstens: Je weniger Neuansteckungen, desto besser.

Damit verbreiten sich nicht nur diese Varianten langsamer und das Risiko für neue Varianten sinkt. Für alle Bereiche sind tiefe Fallzahlen zentral. Für das Gesundheitswesen, die Gesellschaft und die Wirtschaft. Mit den ansteckenderen Varianten verschärft sich die Situation nochmals und – ich wiederhole mich hier – die aktuellen Fallzahlen sind in der Schweiz schlicht zu hoch. 

Die Task Force bleibt deshalb bei der dringenden Empfehlung, eine Halbierung der Anzahl Infektionen alle zwei Wochen anzustreben, und alles zu unternehmen, dass dieses Ziel auch erreicht wird. Die blaue Kurve zeigt eindeutig das günstigere Szenario – und der Unterschied ist markant. 

Zweitens: Die Varianten müssen schnell gezielt eingedämmt werden.

Hier spielen zwei Faktoren eine wesentliche Rolle: Einerseits sollte in der Schweiz noch konsequenter getestet werden. Auch breiter angelegte Tests in Gebieten, in den die Varianten besonders häufig vermutet werden, erachten wir als sinnvoll.   

Zudem lohnt es sich bei der Kontaktverfolgung von Menschen, die sich mit der neuen Varianten angesteckt haben, besonders viel zu investieren. Dies deshalb, weil man hier auch besonders viel zu gewinnen hat. 

Die Task Force würde ein konsequentes Backward-Tracing – also das zurückverfolgen, wo sich eine infizierte Person angesteckt hat, in diesen Fällen sehr begrüssen. Obwohl aufwändiger, ermöglicht es diese Art der Kontaktverfolgung mögliche Cluster zu erkennen und Infektionsketten früher zu stoppen. 

Meine Damen und Herren – die Impfungen sind in der Schweiz angelaufen und das ist ein Grund zur Hoffnung. Varianten des Virus’ werden uns in den nächsten Monaten begleiten und darauf sollten wir so gut wie möglich vorbereitet sein. 

Zwei Dinge können wir aktiv tun: 

Es ist verdankenswert, dass die Hochschulen, die akademischen Labore, sich kurzfristig bereit erklärt haben, mehr Proben zu sequenzieren, um die Varianten und mit diesen Varianten angesteckte Personen zu finden. 

Aus Sicht der Wissenschaft wäre es aber sinnvoll, wenn die Schweiz ihre Bemühungen, was das Sequenzieren betrifft, intensiviert und mehr Ressourcen und Mittel zur Verfügung stellt. So haben wir einen besseren Überblick über das Infektionsgeschehen und können schneller reagieren.

 

Meine Damen und Herren – wir müssen aus der Risikozone herauskommen und eine Art Sicherheitsreserve haben für den Fall, dass weitere erschwerende Faktoren auftreten 

Gerade in der aktuellen Situation mit den hohen Fallzahlen und der Aussicht auf ein Ende der Pandemie lohnt es sich umso mehr, jetzt noch einmal viel zu investieren, damit die Fallzahlen sinken und Hospitalisierungen und Todesfälle weniger werden.

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