26. September 2020 – Policy Brief
Zur Covid-19-Epidemie wird bald die saisonale Grippe hinzukommen, mit ähnlichenSymptomen und identischen Risikogruppen. Die Impfquote ist in der Schweiz jedoch nach wie vor sehr tief. Um diese doppelte Herausforderung für die Bevölkerung und das Gesundheitssystem zu mindern, empfehlen wir gezielte Massnahmen um die – in der Schweiz sehr tiefe – Grippe-Impfquote zu erhöhen, insbesondere bei Risikogruppen und beim Gesundheitspersonal.
Grippe und Covid-19 weisen starke Ähnlichkeiten auf. Die Symptome sind, abgesehen vom Geschmackverlust, den Covid-19 im Gegensatz zur Grippe verursachen, praktisch dieselben: Fieber, Husten, Atembeschwerden, Muskelschmerzenusw. Zur Prävention gehören die gleichen Hygiene-und sozialen Distanzierungsmassnahmen. Auch dieRisikogruppen sind identisch: Menschen über 65, die an einer chronischen Erkrankungleiden oder in einer medizinischen Einrichtung leben, sowie schwangere Frauen.
Es gibt Unterschiede: Covid-19 ist mit einer viel höherenSterberate pro infizierte Person verbunden und ist mit Ereignissen intensiver lokaler Verbreitung assoziiert («Super-spreading Events»). Zudem spielen Kinderbei der Übertragung eine weniger wichtige Rolle als bei der Grippe.
Die Zahl derSARS-CoV-2-Infektionen wird mit dem Beginn der kalten Jahreszeit, die mit der nächsten Grippesaison zusammenfällt (Herbst 2020-Winter2021), vermutlich zunehmen, und die summierten Folgen der beiden Krankheiten könnten die Bevölkerung und das Gesundheitswesen schwer belasten. Bislang hat noch keine wissenschaftliche Studie die gesundheitlichen Folgen einer Doppelinfektion mit Grippe und Covid-19 analysiert.
Allerdings gilt es zu beachten, dass die von der Bevölkerung im Kampf gegen Covid-19 befolgten Hygienemassnahmen und Regeln der sozialen Distanzierung auch die Schwere der Grippenwelle beeinflussen dürften, wie Studien zur Grippe im australischen Winter (entspricht dem Sommer in Europa) nahelegen. Der Impfung kommt jedoch ebenfalls eine sehr wichtige Rolle dabei zu, das Gesundheitssystemzu entlasten.
Die Impfquote in der Schweiz ist nach wie vor tief und in den letzten Jahren stark zurückgegangen: 2017 waren nur 36 Prozent der über 65-Jährigen gegen die Grippe geimpft (gegenüber 48 Prozent im Jahr 2007) und nur 32 Prozent der chronisch Kranken (gegenüber 44 Prozent im Jahr 2007). Diese Anteile betragen knapp die Hälfte der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Impfquote von 75 Prozent bei Risikogruppen.
Wir empfehlen dringend, eine intensive Grippe-Impfkampagne für Risikogruppen sowie das Gesundheitspersonal in die Wege zu leiten. Sie sollte durch eine wirksame Kommunikationskampagne unterstützt werden. Der Zugang zur Impfung ist zudem zu vereinfachen. Diese könnte beispielsweise in Apotheken oder durch mobile Impfteams verabreicht werden und die Krankenkassen sollten die Kosten systematisch übernehmen. Ziel ist es, die Impfquote in der Schweiz deutlich zu erhöhen.
Eine generelle Impfempfehlung für Kinder ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht realistisch. Wir forderndie Behörden jedoch dazu auf, eine solche Massnahme sowie die Einführung eines attenuierten Lebendimpfstoffes gegen die Grippe in Betracht zu ziehen. Letzterer hat seine positiven Auswirkungen beispielsweise in Grossbritannien unter Beweis gestellt, ist in der Schweiz aber nicht zugelassen.
Date of request: 15/7/2020
Date of response: 26/9/2020
In response to request from: GDK
Comment on planned updates: Update planned as soon as an important body of new evidence becomes available.
Expert groups involved: Matthias Egger,
Claire-Ann Siegrist with the help of staff at ISPM Bern (Kathrin Zürcher, Catrina Mugglin), Public Health Group (Marcel Tanner), Christoph Berger, Kinderspital Zürich
Contact person: Matthias Egger